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Hybridbeschleunigungsmesser für Schwerefeldsatellitenmissionen

GeoWerkstatt-Projekt des Monats November 2020

Projekt: Hybridbeschleunigungsmesser für Schwerefeldsatellitenmissionen

Forschende: Annike Knabe, Dr.-Ing. Manuel Schilling, Dr.-Ing. Hu Wu, Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Müller

Projektidee: Durch die Kombination eines (klassischen) elektrostatischen Beschleunigungsmessers mit einem Atominterferometer soll die Messung der auf den Satelliten wirkenden nicht-gravitativen Beschleunigungen verbessert werden.

Eis, Wasser, Luft, Kontinente – Massen sind auf der Erde ganz ungleichmäßig verteilt und diese Verteilung ändert sich ständig durch unterschiedlichste Einflüsse. Zum Beispiel, wenn durch den Klimawandel ausgelöst das Eis an den Polen schmilzt. Um diese globalen Veränderungen zu beobachten, ist es hilfreich sich ein Stück von der Erde zu entfernen: Satellitenmissionen wie GRACE und die Nachfolgemission GRACE Follow-On (Abbildung 1) machen das. Sie messen das Schwerefeld der Erde und dessen Veränderungen vom Weltraum aus, insbesondere können sie daraus auf Massenumverteilungen auf der Erde schließen und so wesentliche Informationen zum Verständnis des Klimawandels liefern.

Bei der aktuellen Mission GRACE-FO umrunden zwei Satelliten hintereinander die Erde. Ihre Umlaufbahn wird jeweils vom Schwerefeld der Erde beeinflusst. Ein Laser-Ranging-Instrument an Bord misst ständig den Abstand zwischen den beiden Satelliten. Über die Abstandsänderungen zwischen den Satelliten kann dann auf die Massenverteilung auf der Erde und deren Änderungen geschlossen werden.

© NASA VTAD/NASA Visible Earth/UF S. Barke/AEI
GRACE-FO Mission mit Laser-Ranging-Abstandsmessung. Wegen der ungleichmäßigen Massenverteilung wird die Erde hier nicht kugelförmig, sondern eher „kartoffelförmig“ dargestellt.

Allerdings gibt es neben der Gravitation (Erdanziehungskraft) weitere Kräfte, die auf die Satelliten wirken und so die eigentliche Messung stören. Ein wichtiges Instrument für das Gelingen der Mission ist daher der Beschleunigungsmesser, der benötigt wird, um die auf den Satelliten wirkenden nicht-gravitativen Kräfte zu messen und die rein gravitativen Signale davon zu separieren. Die nicht-gravitativen Kräfte werden vor allem durch den atmosphärischen Widerstand, den Strahlungsdruck der Sonne und die Erdalbedo (= Maß für die Helligkeit d.h. wie viel Sonnenlicht von der Erde reflektiert wird) hervorgerufen. Der Beschleunigungsmesser kann diese nicht-gravitativen Störbeschleunigungen direkt messen, wenn er im Massenzentrum des Satelliten platziert wird.

© IFE
Fehler bei Verwendung eines elektrostatischen Beschleunigungsmessers bezogen auf ein Referenzschwerefeld. Schwereänderungen sind ausgedrückt als äquivalente Wasserhöhe (Equivalent Water Height, EWH).
© IFE
Fehler bei Verwendung eines simulierten Hybridbeschleunigungsmessers bezogen auf ein Referenzschwerefeld. Schwereänderungen sind ausgedrückt als äquivalente Wasserhöhe (Equivalent Water Height, EWH).

Bei GRACE-FO ist ein klassischer (elektrostatischer) Beschleunigungsmesser im Einsatz. Im langwelligen Signalbereich ist dieser Sensor nun einer der limitierenden Faktoren der Schwerefeldbestimmung (siehe Abbildung 2). Wie lässt sich das verbessern? Ein vielversprechendes Konzept ist der Einsatz eines Hybridbeschleunigungsmessers. Er kombiniert einen klassischen Beschleunigungsmesser und ein Atominterferometer (Cold Atom Interferometry, CAI). Diese beiden Instrumente ergänzen sich bezüglich ihrer Eigenschaften sehr gut. Der klassische Beschleunigungsmesser hat eine hohe Kurzzeitstabilität. Das heißt, er misst am genausten bei hohen Frequenzen und schlechter bei niedrigen Frequenzen, was durch die Drift des Instruments versursacht wird. Der CAI-Beschleunigungsmesser hingegen hat eine hohe Langzeitstabilität, ist also genauer bei niedrigen Frequenzen. In Abbildung 3 ist die spektrale Amplitudendichte des Rauschens beider Sensoren sowie die Kombination im Frequenzraum gezeigt.

© IFE
Spektrale Amplitudendichte des Rauschens der verschiedenen Beschleunigungsmesser: Die rote Linie zeigt den klassischen elektrostatischen Beschleunigungsmesser, die grüne Linie ein Atominterferometer. Eine Kombination aus beiden (blaue Linie) könnte die Erdschwerefeldmessung verbessern.

In unserem Projekt führen wir Simulationen durch, um das grundsätzliche Potential eines solchen Hybridbeschleunigungsmessers unter realistischen Annahmen und die optimale Kombination mit klassischen Sensoren zu erforschen. Mit den simulierten Satellitendynamiken und Modellen der verschiedenen Sensoren können die daraus resultierenden Schwerefeldlösungen für die endgültige Bewertung der neuen Szenarien berechnet werden.

Publikationen

Müller, J., & Wu, H. (2020). Using quantum optical sensors for determining the Earth’s gravity field from space. Journal of Geodesy, 94(8). 1-14. https://doi.org/10.1007/s00190-020-01401-8

Knabe, A., Wu, H., Schilling, M., and Müller, J.: Hybridization of atomic and electrostatic accelerometers for satellite control and gravity field recovery, EGU General Assembly 2020, Online, 4–8 May 2020, EGU2020-9893, 2020. https://doi.org/10.5194/egusphere-egu2020-9893