GeoWerkstatt-Projekt des Monats August 2022
Projekt: Visuelle Streckenkommunikation durch geometrische Verformung
Forschende: Olga Shkedova, Stefan Fuest
Projektidee: Präferenzen der Nutzenden sollen bei der Berechnung der effizientesten Route berücksichtigt und eine visuelle Kommunikation für die bevorzugte Routenwahl unter Verwendung geometrischer Verformung entwickelt werden.
Ob auf dem Weg zur Arbeit oder in den Urlaub, beim Joggen oder bei der Fahrradtour - wer heute das Haus verlässt, hat in der Regel auf dem Smartphone oder einem anderen Gerät eine Navigations-App dabei. Die meisten Routing-Dienste betrachten bei der Auswahl der besten Route allerdings nur die Reisezeit. Wer beispielsweise zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs ist, möchte jedoch vielleicht Gegenden mit hoher Feinstaubbelastung meiden und lieber in Grünanlagen als auf Hauptverkehrsstraßen unterwegs sein. Daher schlagen wir vor, für eine nutzerorientiertere Routenführung diese Aspekte zu berücksichtigen und mit Hilfe visueller Kommunikation auf Karten darzustellen. Dabei wird die priorisierte Route auf der Karte in einer intuitiven, geometrisch und visuell attraktiven Weise abgebildet.
In unserem Projekt haben wir Gebiete mit hoher Feinstaubbelastung (PM10) als Tabuzonen gekennzeichnet, die Kartennutzende wegen der möglicherweise gesundheitsgefährdenden Auswirkungen meiden sollten. Doch wie erkennen Menschen solche Zonen auf Karten am besten? Dafür haben wir uns mit der menschlichen Wahrnehmung, psychologischen Faktoren und anderen visuellen Variablen beschäftigt. So sind wir zu folgender Darstellungsweise gekommen: Die belasteten Gebiete werden als eine Art Hohlraum oder Grube dargestellt – je höher die Feinstaubbelastung, desto tiefer und damit bedrohlicher wirkt die Grube. Diese Art der Darstellung könnte die Kartenlesenden dazu motivieren, trotz eines höheren Zeitaufwands die alternative Route zu wählen, die um gefährliche Gebiete herumführt.
Wie berechnen wir diese scheinbar dreidimensionalen „Gruben“ auf zweidimensionalen Karten? Für den Illusionseffekt haben wir zwei Arten von geometrischen Verzerrungen angewendet. Die erste basiert auf einer mehrstufigen Transformation, die zweite auf einer konkaven Linsenveränderung. Der Grad der Verformung und damit die Tiefe der scheinbaren Grube sind proportional zu Feinstaubbelastung (PM10-Index).
Mit Hilfe eines automatisierten Systems können wir zwei Arten von Routen berechnen: Eine Route wird nach dem üblicherweise verwendeten Algorithmus für den schnellsten Weg berechnet, die andere berücksichtigt zusätzliche Aspekte. Der schnellste Weg, der nur die Fahrzeit berücksichtigt, wird so bei der Durchquerung der verschmutzten Grube geometrisch verzerrt im Gegensatz zur alternativen Route, die um die gefährlichen Bereiche herumführt und die ursprüngliche Form der Straßen beibehält.
Wie Nutzerinnen und Nutzer auf diese Art der visuellen Kommunikation reagieren, haben wir im Rahmen einer Nutzerstudie evaluiert. Die Teilnehmenden hatten jeweils die Wahl zwischen der schnellsten Route und einer alternativen Route durch Gebiete ohne Luftverschmutzung. Auf den Karten haben wir verschiedene visuelle Variablen wie Farbe, Dicke und schattierte Figuren variiert, um zu untersuchen, wie die Teilnehmenden die Hohlräume oder Gruben am besten wahrnehmen. Im Durchschnitt entschieden sich mehr als 75 % der Studienteilnehmenden für den alternativen Weg, wenn der schnellste Weg durch eine mehrstufige Transformation verformt worden war. War der schnellste Weg durch die konkave Linse verzerrt worden, entschieden sich mehr als 50 % der Teilnehmenden für den alternativen Weg. Diese Tendenz war umso stärker, je höher der Grad der Luftverschmutzung war und je mehr visuelle Variablen hinzugefügt waren. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse haben wir eine Webkartenanwendung erstellt. Die effizienteste Route berücksichtigt hier sowohl die Reisezeit als auch die Feinstaubbelastung während der Navigation.