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Die eigene Orientierung dank Navi zurückerlangen

GeoWerkstatt-Projekt des Monats Dezember 2017

Projekt:  Die eigene Orientierung zurückerlangen

Forschende:  M. Sc. Wage, Oskar

Projektidee:  Automatische Anreicherung von Routenbeschreibungen zur Ausbildung einer kognitiven Karte

Navi einschalten, Ziel eingeben und losfahren. Anstatt sich wie früher mit einer Straßenkarte die kürzeste Route zu suchen und sich dabei intensiv mit der Strecke und umliegenden Objekten auseinanderzusetzen, verlassen sich Autofahrer heute oft komplett auf das Navigationssystem. Der Fahrer kommt auf diese Weise zwar recht zuverlässig - auch bei unbekannten Strecken - an sein Ziel, merkt sich jedoch nur bedingt, wie er dorthin gelangt ist. Im Ergebnis ist der Navi-Nutzer auch bei zukünftigen Fahrten durch bereits besuchte Gebiete auf die Anweisungen des Navigationssystems angewiesen und hat Schwierigkeiten sich selbstständig zu orientieren. Denn die aktuell üblichen Navigationsanweisungen beschränken sich auf sogenannte Turn-by-Turn-Instruktionen. Sie bestehen lediglich aus einer Entfernungsangabe, einer durchzuführenden Aktion und dem Namen der Zielstraße. Zum Beispiel: "Biegen Sie in 100 Metern links auf die Nienburger Straße ab".

Unser Gehirn speichert Orte und Routen jedoch auf andere Weise: Wenn wir uns verabreden wollen, nennen wir üblicherweise Namen und Beschreibungen von Orten, die beiden Parteien bekannt sind. Dazu werden optisch oder in ihrer Funktion prägnante Orte (auch Landmarken genannt) verwendet: "Vor der Brücke musst du links abbiegen und dann rechts an der Kirche vorbeigehen." Menschen nutzen ein mentales Netz aus solchen Landmarken zur Orientierung. Die Umgebung lässt sich mit diesen kognitiven Karten einfacher vorstellen als rein metrische Informationen. Mit einer im entsprechenden Gebiet ausgebildeten kognitiven Karte ist es möglich, einen Zielort ohne Hilfsmittel zu finden oder einer anderen Person den Weg zu beschreiben. Auch Treffpunkte können so unproblematisch abgesprochen werden.

Ziel dieser Arbeit ist es, ein Konzept zu entwickeln und umzusetzen, welches beide Orientierungsmethoden verbindet: Routenbeschreibungen sollen automatisch um Beschreibungen von Landmarken angereichert werden (Abbildung 1). Dies soll Navi-Nutzern helfen, kognitive Karten auszubilden und so mit Hilfe des Navigationsgeräts ihre räumliche Orientierung zu verbessern. Konkret werden dazu Methoden implementiert, die - in Form eines Online-Kartendienstes - die räumliche Beziehung zwischen der Route und relevanten Landmarken beschreiben.

Abbildung 1: Sicht eines Autofahrers mit eingeblendetem Hinweis. Statt einer rein metrischen Information verweist das Naviga-tionsgerät auf eine auffällige Landmarke – hier eine Kirche.

Zu Beginn wird ein Datenbestand an Objekten aufgebaut, die als potentielle Landmarken dienen können. Dazu werden zum Beispiel Kirchen, Parks und Bahnstationen aus OpenStreetMap (frei verfügbare Kartendaten) extrahiert. Die Relevanz wird abhängig vom Objekttyp bewertet: Kirchen dienen beispielsweise im urbanen Raum als optische und kulturelle Ankerpunkte und werden daher höher gewichtet als unauffällige Bushaltestellen. Stellt der Nutzer nun eine Routenanfrage, werden unter Berücksichtigung der Distanz die für die Route einflussreichsten Landmarken bestimmt.

Wichtig für den Anwender ist es auch, wo sich die Landmarken auf seiner Strecke befinden. Um diese räumliche Beziehung von Route und Landmarke zu beschreiben, wird zunächst überprüft, ob sich beide schneiden (topologische Analyse). Ist dies der Fall, ergibt sich zum Beispiel eine Beschreibung (Abbildung 2) wie "Sie fahren durch den Eichtalpark". Wird die Landmarke hingegen nicht von der Route geschnitten, wird die Richtung der Landmarke aus Sicht des Nutzers (also relativ zur Route) bestimmt. Entsprechend werden Beschreibungen wie "Auf der rechten Seite befindet sich die Kreuzkirche" ausgegeben. Außerdem wird anhand der Kartendaten ermittelt, ob Gebäude die Sicht zur Landmarke behindern. Das Resultat wird ebenfalls in den Hinweis integriert.

Eine Evaluation des Systems hat bestätigt, dass sich die mit Landmarken angereicherten Beschreibungen positiv auf die Orientierung der Nutzer auswirken. Bekamen Probanden solche Beschreibungen von Routen vorgelegt, konnten sie sich besser orientieren und zuvor gezeigte Strecken effizienter zurückverfolgen.

Abbildung 2: Ansicht des entworfenen Kartentools. Zusätzlich zum Routenverlauf auf der Karte werden auf der rechten Seite die um Hinweise ergänzten Navigationsanweisungen eingeblendet.